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Von Thomas Kammler

Wilde Karde (Dipsacus fullonum): Ist die Pflanze tatsächlich eine Distel?

Wilde Karde

Im Sommer bilden sich in Gärten aber auch auf Feld und Wiese an mannshohen, kräftigen und stacheligen Pflanzen mehrere walzenförmige und bis zu 8 cm große Blütenstände mit einem Ring aus kleinen blau-lila Blüten. Im Herbst dekorieren sie abgetrocknet die Landschaft und erweisen sich für Mensch und Tier als nützlich: Die Rede ist von der Karde bzw. Wilden Karde. Die Wilde Karde (Dipsacus fullonum; syn.: Dipsacus sylvestris) zählt zur Unter-Familie der Kardengewächse und gehört, anders als etwa die Mariendistel, nicht zu den Disteln, auch wenn volkstümliche Namen der Pflanze, wie Kardendistel oder ihr stacheliges, distelartiges Aussehen dies nahelegen. Die Pflanze ist zweijährig, liebt sonnige Standorte, bildet allerdings erst im zweiten Jahr die charakteristische eiförmig-längliche Blüte aus. Im ersten Jahr zeigt sich nah des Bodens nur eine Blattrosette, aus der im zweiten Jahr ein Stängel wächst, der in die Blüte geht und Früchte ausbildet. Wenn die Samen in den Fruchtständen reif sind, stirbt die ganze Pflanze ab, bleibt aber noch lange als Dekoration in der Landschaft und als natürlicher Vogelfutterspender erhalten

Die Wilde Karde als Futter für Vögel, Insekten-Magnet, Deko und Gartenpflanze

Die Fruchtstände der etwa 20 Arten der lichthungrigen Pflanze sind aus ökologischen Gesichtspunkten wertvoll, denn sie stellen für Distelfinken, Dompfaffe und andere Vögel ein beliebtes Futter für den Winter dar. Aber auch Insekten wie Bienen, Hummeln oder Schmetterlinge lieben die Blüte der Karde. Genügend Gründe, die gewöhnlich bis zu 1,5 m hohe, robuste und recht anspruchslose, zweijährige Pflanze auch im eigenen Garten anzupflanzen. Die fälschlicherweise häufig als Staude bezeichnete Pflanze hat dabei beispielsweise keine großartigen Ansprüche an den Boden. Lässt man die Blütenstände an der Pflanze ausblühen, ergeben die getrockneten Pflanzen eine tolle Deko.

Der Name Dipsacus: Nomen est Omen

Interessant ist auch die Namensgebung der Karde: Entlehnt von „carduus“ für Distel verweist die „Karde“ zudem auf eine frühere Nutzung der stacheligen Pflanze. Im Mittelalter kämmte man mit der Weber-Karde (Dipsacus sativus) Rohwolle aus, um sie im Anschluss besser verarbeiten zu können („Kardieren“: das alte Wort „karden“ stand für „kämmen“). Der botanische Name der krautigen Pflanze, Dipsacus fullonum, hat einen Bezug zu den Blättern, die am Stängel trichterförmig zusammengewachsen sind. In diesen Blatt-Trichtern sammelt sich Regenwasser. „Dipsacus“ kommt vom griechischen „dipsa“ für Durst – nicht verwunderlich, denn Tiere wie Vögel nutzen den Stängel der Karde gern als Trinkstelle. Dem darin gesammelten Wasser schrieb man zudem wundersame Kräfte auf die Schönheit zu, daher auch die Bezeichnung „Venusbad“.

Tinktur, Extrakt & Co.: Die Verwendung der Karde als Heilpflanze

Als Heilpflanze findet Dipsacus fullonum schon seit ewigen Zeiten volksheilkundliche Verwendung. Hier wird die Wurzel der Wilden Karde in Form von Tee oder Tinkturen zur Hautpflege, bei Magen-Darm-Beschwerden und zur unterstützenden Behandlung der von Zecken übertragenen Krankheit Lyme-Borreliose eingesetzt. An wissenschaftlichen Belegen hierfür wird noch geforscht. So konnte in präklinischen Studien gezeigt werden, dass Kardenextrakt aus der Wurzel der Wilden Karde das Wachstum von Borrelien-Kulturen hemmen konnte. Wirksamkeitsbelege aus klinischen Studien gibt es allerdings zur Karde-Tinktur nicht.
Hier unterscheidet sich die Wilde Karde ebenfalls von der eingangs erwähnten Mariendistel, deren leberschützende und leberregenerierende Wirkstoffe mittlerweile sehr gut erforscht sind und auch in der „Schulmedizin“ zum Einsatz kommt, beispielweise bei einer Pilzvergiftung.

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